An das Mitglied der Enquete Kommission "Kultur in Deutschland", Christian Freiherr von Stetten (MdB) 

Verehrter Freiherr von Stetten, neben den vielen emotionalen Appellen zur Beibehaltung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG), die momentan bei Ihnen eintreffen, möchten wir vor allem den volkswirtschaftlichen Nutzen der "KSK" hervorheben. Von diesem Nutzen ist nämlich nie die Rede. Im Gegenteil, die Auftraggeber von freien Kreativen sprechen immer von den "unnötigen Betriebsausgaben", während die im Auftrag der Auftraggeber tätigen Lobbyisten gerne von der unnötigen Belastung des Etats des Herrn Clement (BMWA) reden und damit den Bundeszuschuss meinen.

 

Als Berufsständische Interessens Gemeinschaft (B.I.G.) haben wir über 12.000 Existenzgründern zur "Mitgliedschaft" in der KSK verholfen. Wir kennen den ökonomischen Nutzen: So zahlen die freien Kreativen derzeit als Eigenanteil (ohne KSK) rund 150.000.000 €uro (sic!) im Jahr in die Kassen der gesetzlichen Rente (BfA), die laut VDR momentan leider leer sind. Der Bundeszuschuss hingegen beträgt in 2004 nur rund 98 Millionen €uro.(siehe Statistik unter www.Kuenstlersozialkasse.de )  Die Tatsache, dass das Prinzip KSK schon zu Helmut Schmidt’s Zeiten konzipiert und von Dieter Lattmann (MdB SPD) maßgeblich geprägt wurde, bedeutet eben nicht, dass es sich um ein typisches "Sozi – Gesetz" handelte. Im Gegenteil, es war schon immer – kaufmännisch gesehen – eine lohnende Investition für den Staat.  Und es geht weiter:

 

Da die Sonderausgaben bei der Einkommenssteuer durch die günstigen KSK-Beiträge recht niedrig ausfallen, erhöht sich letztendlich das zu versteuernde Einkommen und damit gleichzeitig das Steueraufkommen für den Bund. Unsere vorsichtigen Berechnungen ergeben ein Mehraufkommen bei der Einkommenssteuer für den Fiskus in Höhe von 30.000.000. €uro per annum. Hinzu kommen mindestens 50.000.000 €uro p.a. an Umsatzsteuerzahllast, die von den KSK-Mitgliedern jährlich abgeführt wird. Ohne die KSK würde wahrscheinlich nur die Hälfte dieser Summen dem Staat zu Gute kommen. So viel zu den Lobbyisten und der "Belastung des Haushalts"!

 

 Aber auch die Auftraggeber von freien Kreativen verschweigen konsequent ihren betriebswirtschaftlichen Nutzen und lamentieren über die "Verwerterabgabe". Eine angestellte Grafikerin zum Beispiel kostet einen Arbeitgeber rund 18% vom Bruttogehalt an Sozialversicherungsabgaben (ohne ALV). Die freie Mitarbeiterin, die er im Krankheitsfall nicht weiter bezahlen muss und die bei Schwangerschaft eben keine zweijährige Arbeitsplatzgarantie bekommt, kostet ihn nur 5,8% des gezahlten Honorars. Ein Honorar, welches vielfach als solches gar nicht mehr zu bezeichnen ist. Vielmehr müssen Freie häufig zu absoluten Dumping Preisen tätig werden. Verlangt jemand mehr, bekommt er den Hinweis auf die vielen "arbeitslosen" Kreativen, die händeringend auf einen Auftrag warten. Hier liegt auch der Grund für die Steigerung des Abgabesatzes von 4,3 % auf 5,8% (das sind rund 30% mehr): Die Honorare sind 30% niedriger! Lieber Freiherr von Stetten, der volkswirtschaftliche Nutzen der Künstlersozialkasse in ihrer jetzigen Form ist unbestreitbar. Ebenso der betriebswirtschaftliche Nutzen der Verwerter, die Tausende von angestellten Kreativen in den letzten Jahren aus "Kostengründen" entlassen haben, um  vielfach die gleichen Leute als "freie Mitarbeiter" (mit nur 5,8%) wieder zu beauftragen.

 

Das Land der Goethes und Schillers, der Beethovens und Bachs hat mittlerweile anscheinend Volksvertreter hervorgebracht, die sich nicht nur als kulturelle Banausen, sondern auch noch als schlechte Rechner entpuppen und sich den primitivsten Werbespruch aller Zeiten "Geiz ist geil" auf die Fahnen geheftet haben.

Ich appelliere an Ihre aristokratische Herkunft, die eine liberale (im ursprünglichen Sinne des Wortes) Geisteshaltung vermuten lässt, welche sich jenseits jeglicher Parteincouleur oder –zwänge befindet. Zeigen Sie den anderen Enquete-Mitgliedern den Nutzen der Künstlersozialkasse auf. Gleichzeitig sollten Sie den Gegnern die alte lateinische Weisheit übersetzen: ARS LONGA VITA BREVIS.